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Nahezu friedlich

Die Zeitungen schreiben, die Berliner Walpurgisnacht sei friedlich verlaufen. Etwa 3300 Menschen demonstrierten am 30. April 2012 in Berliner Bezirk Wedding gegen das kapitalistische Gesellschaftssystem und die in ihm angelegte soziale und rassistische Ausgrenzung. Eine gleich große Zahl an Polizisten demonstrierten die Gelassenheit der bürgerlichen Demokratie. Breite Teile beider Gruppen demonstrierten ihre Fähigkeit, Angst nicht in Aggression überschlagen zu lassen. Das Arbeitsamt demonstrierte seine Wehrhaftigkeit. Die Dönerbuden demonstrierten ihre Geschäftstüchtigkeit.

Die Demonstration dauerte von 18.00 – 24.00 Uhr. Jede Stunde hat 60 Minuten. Jede Minute hat sechzig  Sekunden. Alle drei Sekunden löscht der Hunger ein Leben auf dem Globus aus. Seine ökonomischen Ursachen liegen nicht neben den Toten. Man findet sie in der westlichen Welt. Die Berliner Walpurgisnacht ist nicht friedlich verlaufen. Sie stand unter dem Motto: „Nimm Dir, was Dir zusteht!“ Während der sechs Stunden Kampf für deutsche Zustände sind etwa 7200 Menschen gestorben.

Der globale Kapitalismus hat nicht die Gestalt eines Polizisten. Er ist nicht das Gesicht hinter der Kamera eines Journalisten. Er ist nicht der Mann vom Verfassungsschutz. Er ist nicht der gierige Vermieter. Er ist nicht das ignorante Arschloch aus dem BWL-Kurs. Der Kapitalismus ist nicht Politiker und nicht Kapitalist. Er ist ein ökonomisches System. Es endet nicht am Wedding und nicht an den Grenzen der Bundesrepublik. Es ist größer als Europa und fast so groß wie die Welt. Die meisten Opfer dieses Systems können sich nicht nehmen, was ihnen zusteht. Sie haben nur einen potentiellen Verbündeten. Das sind die Kapitalismuskritiker der westlichen Welt. Die aber haben sich im Wedding um sich selbst gedreht.