Wir leben im Zeitalter der digitalen Information. Bilder erreichen uns lichtschnell aus großer Entfernung. Wir könnten die empathischen Augenzeug(inn)en jeder Naturkatastrophe, jeder sozialen Verelendung, jeder ökologischen Zerstörung sein. Doch: Wir sind es nicht. Wir sind nur die Zeug(inn)en einer aufbereiteten und ausgewählten Flut an Information. Wir wissen wenig über Hungerkatastrophen. Wir wissen viel über die neuen Kleider einer Herzogin. Tagt eine politische Konferenz, sehen wir Bilder mächtiger alter Männer. Wir sehen nicht die Bilder der Menschen, die Entscheidungen betreffen.
Das Netz erschlägt uns mit geschärften und übersättigten Banalitäten. Es zeigt uns die Dinge, die wir kaufen sollen und die wir glauben sollen. Ein Deodorant wird zum Aphrodisiakum. Der Bühnenauftritt eines produzierten Sternchens wird zum ästhetischen Spektakel. Das Urlaubsziel kennt keine Wolken. Es gibt nur schöne Menschen, die alle auf die Liebe warten.
Der Realität ist der Krieg erklärt worden. Seine Opfer sind wir und unser ordnender, kritischer Verstand. Doch: Die Gegenwehr hat längst begonnen. Auch ihre Kraft kommt aus dem Digitalen. Das Netz ist Veröffentlichungsraum für Jede und Jeden. Es hebt die Scheidelinie zwischen den Konsumenten und den Produzenten von Information auf. Die Gestaltung einer scheinbaren Realität kann ersetzt werden durch den Versuch ihrer tatsächlichen Widerspiegelung. An diesem Versuch wollen die Kameradist(inn)en teilnehmen. Dazu folgen sie einer Ethik:
- Kameradist(inn)en fotografieren und filmen, was sie sehen. Sie fotografieren und filmen nicht, was sie denken, sehen zu müssen.
- Kameradist(inn)en achten die Menschen, die sie aufnehmen. Sie sehen sie immer als Subjekte, nie als Objekte ihrer Arbeit.
- Kameradist(inn)en achten die Natur, die sie zu Bildern machen. Sie setzen sich für ihre Bewahrung ein und vermeiden es, in ihr Spuren zu hinterlassen.
- Kameradist(inn)en sind politisch, denn die Realität ist es auch.
- Kameradist(inn)en unterstützen einander bei ihrer Arbeit. Wenn sie zusammen arbeiteten, wird der Ertrag gerecht geteilt.
- Kameradist(inn)en arbeiten auf Augenhöhe miteinander. Sie lehnen Hierarchien ab.
- Es gibt keinen Kameradismus. Diese Ethik ist nur ein tastender Versuch. Sie wird sich im Diskurs weiterentwickeln und immer wieder nur tastender Versuch bleiben.