Wenn es die DDR heute noch geben würde, dann wären die meisten Häuser vermutlich so grau wie dieses. Diesen Blog gäbe es nicht. Oder vielleicht doch. Eine Weile. In einem langsamen und zornigem Internet. Dann hätten sie mich wegen staatsfeindlicher Hetze vermutlich eingesperrt. Oder auch nicht, weil sich Niemand für einen Knopf wie mich interessiert hätte.
Wenn es die DDR heute noch gäbe, dann würde es sie gleichwohl nicht für immer geben. Irgendwann wäre den Leuten ihr das Eingesperrtsein in einer ineffizienten Ökonomie so derart auf den Sack gegangen, dass sie massenhaft auf die Straßen gedrängt wären.
Vielleicht 2013. Das Jahr hat so einen historischen Klang. Vielleicht wäre die DDR im Herbst 2013 hinwegdemonstriert worden und ein steinalter Gregor Gysi hätte den Leuten politische Witzchen am Alexanderplatz erzählt.
Wenn es DDR heute noch geben würde, dann gäbe es heute auch die kleine Bundesrepublik noch. In ihr hätte sich die Schere zwischen Reich und Arm dramatisch geöffnet. Eine schwere Wirtschaftskrise hätte die westliche Welt unlängst heimgesucht und die östliche weitgehend verschont. Hartz IV würde manchen Ausgegrenzten und Erniedrigten nach Osten schauen lassen voller Sympathie für Vollbeschäftigung und soziale Gleichheit, wenn auch auf materiell niedrigem Niveau. Und aus dem Osten hätten sie nach Westen geschaut. Sicher hätte niemand für die Abschaffung der Stasi bei gleichzeitiger Einführung einer effektiveren Überwachung durch Computer und Satelliten demonstriert.
Wenn es die DDR heute noch geben würde, dann würden man auf den ersten Demonstrationen im Herbst 2013 vermutlich genau dasselbe fordern wie bei jeder Revolution seit der französischen: Freiheit und Gleichheit. Und vielleicht hätten sie dann in Frankfurt am Main und in Hamburg und in Westberlin auch mit dem Demonstrieren begonnen. Genau wie sie es ja heute in allen größeren westlichen Städten immer öfter tun. Für die Abschaffung der Austeritätspolitik. Für mehr soziale Gleichheit. Gegen die Macht der Großbanken und Konzerne. Für eine wirkliche Demokratie. Für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Für eine menschliche Flüchtlingspolitik. Und sie hätten dafür wieder einmal Prügel bezogen. Wie unlängst im Frankfurt am Main im Jahre 2013.
Vielleicht wären sie einfach zurückgekommen an den Ort ihrer Prügel. Jeden Montag. Mit immer mehr Menschen. In allen größeren Städten in Ost und West. Und dann wäre dies die erste deutsche Revolution geworden, die diesen Namen tatsächlich verdient hätte. Für Gleichheit in der Freiheit und Freiheit von Gleichmacherei.
Doch so hätte es niemals kommen können. Völlig ausgeschlossen. Daran ist nur die Dialektik schuld. Denn wenn es die DDR heute noch geben würde, dann gäbe es weder Hartz IV noch den bundesdeutschen Neoliberalismus und das bundesdeutsche Innenministerium in Bonn würde sich schwer vorsehen, in einen existenzgefährdenden Vergleich mit der Staatssicherheit zu gelangen.
Denn solange die DDR als halbwegs ernstzunehmende soziale Konkurrenz existierte, setzte sie die Rahmenbedingungen für das Mögliche und das Unmögliche im Westen.
Die DDR gibt es heute nicht mehr. Auch die Bundesrepublik nicht. Sie heißt nur noch so. Das kann man am System sehen. Während die Freiheit schwindet, sichert sich der Staat gegen die Wut über die sich ausweitende Verarmung ab.
Das Bild entstand am 5. Juli 2013 in Weissensee.